Die Berlinale-Experience. Organisation, Rumkommen und Schlaflosigkeit.

Ich war auf der 67. Berlinale und hab‘ in neun Tagen 38 Filme geguckt. Und nun sitze ich nach meinem letzten Film im Bett und versuche diesen Overkill an leuchtenden Bildfolgen Revue passieren zu lassen. Ein wenig verstrahlt bin ich ja schon. Es begann alles letzten Freitag mit Fassbinders Die Welt am Draht und es endete vor knapp einer Stunde (Stand: Sonntag 01:12) mit Logan, zum Schluss musste etwas besonders Avanciertes her. Aber fangen wir von vorne an. Wie bin ich überhaupt zur Berlinale gekommen und wie funktioniert das denn alles?

Naja, also ich studiere seit dem Wintersemester 16/17 den Masterstudiengang Kulturpoetik der Literatur und Medien in Münster. Weil unser Studiengang also versucht Literaturwissenschaft mit den Formaten neuer und populärer Medien (auch dem Film!) zu verbinden, kriegen zehn Studenten jedes Jahr die Chance eine der begehrten Akkreditierungen für die Berlinale zu ergattern. Anfangs war ich noch gar nicht so heiß darauf. Ich bin als Nachzügler aber dann doch rein zufällig zu einer gekommen, und bereue meine Entscheidung mal so überhaupt nicht. Jedenfalls wusste niemand von uns so richtig, was da auf uns zukommt, weil im Herbst nur die allerersten Titel des Programms fest standen, viele mit dem Kopf noch im Studienstress hingen und sich meine Kommilitonen um günstige Übernachtungsmöglichkeiten kümmern mussten. So eine Studentenakkreditierung kostet 80€, selbstredend löst sich aber jegliches Bargeld innerhalb der zehn Veranstaltungstage in Luft auf. Ein paar meiner Kommilitonen sind mit den Ausgaben im hohen dreistelligen Bereich gelandet. Das ist ein ziemlich kräftiges Urlaubsgeld, gleichzeitig jedoch die Möglichkeit zu Beginn der Semesterferien etwas Wirkliches zu erleben und nicht nur gelangweilt am Strand oder schlechte Tapas im überteuerten Barcelona zu essen.

Am 9.2. ging es dann los. Wir holten unsere Berlinale-Karte ab und kriegten dazu noch einen exklusiven Berlinale-Beutel mit gefühlten 500 Seiten Programm. Und erst dann wurde uns allen erst der Ausmaß des Festivals klar: 400 Filme aus aller Welt, mehr als 10 Rubriken, Spielstätten über ganz Berlin verteilt. Von den meisten Filmen hatte keiner von uns eine Ahnung, auch wenn wir ein paar wirkliche Nerds unter uns hatten. Interesse ergab sich erst durch Googeln und Programmtexte. Was die ganze Berlinale wirklich erbrechend stressig machte, war das frühe Aufstehen. 8:30 wurde der Ticketschalter für die Studentenakkreditierungen geöffnet, wir waren in den ersten Tagen immer schon um 6:00 morgens dort, um unsere Zeit optimal nutzen zu können und nicht erst nachmittags mit dem Schauen anzufangen. Allein wäre das eine ziemliche Qual geworden. Wir hatten wenigstens uns fünf, um uns gegenseitig zu unterhalten, auch wenn nach dem dritten Tag ohne Schlaf niemand noch recht Witze reißen wollte. So kam es auch, dass Kaffee und Mate unsere Hände nie verließen und wir Sekundenschlaf in Filmen dazu ausnutzen, sie dann hoffentlich ganz durchzustehen.

Oft waren fünf Filme pro Tag das Ziel, die ersten Screenings waren um 9:30, die letzten um 22:30. Anfangs waren diese Tage noch sehr strapaziös, ich hätte vor der Berlinale nie gedacht, dass ich fünf Filme am Tag durchstehe. Wenn man dann aber mal im Rhythmus ist, so fängt sich dieser leise Zweifel schon schnell und man ist absolut im Flow. Süchtig kann man das auch nennen. Nach einigen Tagen ist ein Leben ohne ständigen Kino-Besuchen einfach nicht mehr denkbar. Nach dem ersten Wochenende wurde die Berlinale dann schon etwas leerer und wir haben aufgehört, uns so früh im morgen anzustellen. Stattdessen kann man zu den meisten Vorstellungen so 30 Minuten früher da sein, um mit der schönen Badge einfach so reingelassen zu werden.

Wie waren denn nun die Filme? Naja, ehrlich gesagt glaube ich, dass ich über die Hälfte der Filme wahrscheinlich schon nach wenigen Monaten vergessen haben werde. Ich glaube es ist der Samstag gewesen, in denen mir von fünf geschauten Filmen nur einer wirklich gefiel. Etwas enttäuscht war ich dann aus der Bilanz der ersten fünf Tage: ein paar schlechte Filme gesehen, ein paar gute (v.a. Klassiker) aber ziemlich viele mittelmäßig-langweilige. Ist das der Aufwand wirklich wert? Mir ganze fünf Tage frei zu machen, die ich auch mit weniger Stress und wesentlich interessanteren Filmen verbringen konnte, ? Und für eine Hand voll Klassiker auf die Berlinale zu gehen, lohnt doch echt nicht wirklich – Barry Lyndon und der Pate 3 hatte ich schon gesehen, sie waren trotzdem meine Highlights der ersten Tage. Aber was soll’s, die Chance einen Festivalpass zur Berlinale noch einmal zu bekommen sind minimal, warum also nicht alle Tage durchstehen und einfach in full force weitermachen?

Und alles wurde besser. Ab Dienstag lief endlich mehr Asia-Kino und es war einfacher in die Wettbewerbsfilme zu kommen. Es waren vor allem die chinesischen Filme, die mir das Festival gerettet und wirklich gezeigt haben, dass das spannendste Kino der Gegenwart einfach mal nicht aus dem Westen kommt. Aber bevor ich mehr zu den Filmen verfasse, steht hier erst einmal ein fetter CLIFFHANGER, weil ich schlafen, endlich mal wieder warm essen und genüsslich duschen muss. Dann also bis Freitag!

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