Kritik: Paterson

Als ich in Paterson reingegangen bin, hab‘ ich wirklich einen süßen Feelgood-Film erwartet vom Indie-Altmeister Jim Jarmusch erwartet. Was ich bekommen hab, war ein ziemlich unspektakulärer aber dafür bedächtiger Streifen über das Großstadtleben, der ein bisschen kinematographischen Yoga gleicht. Musik an, langsame Bewegungen zur Lockerung und Stärkung der Tiefenmuskeln, ohne unangenehm belastend zu sein. Die Spannung bleibt die ganzen zwei Stunden über niedrig, doch warten überall kleine Überraschungen auf den Zuschauer, die neben Schmunzeln, Gedankenanstößen und das ein oder andere Mal auch einen leichten Schimmer von Absurdität hervorufen.

Adam Driver spielt dabei Paterson, einen Busfahrer mit einem ziemlich geordneten Alltag. Zwischen Aufstehen, Frau küssen, Bus fahren, Gedichte schreiben, Passagieren bei Unterhaltungen zuhören, mit dem Hund ausgehen, im Pub Bier trinken reihen sich noch viel mehr kleine Motive ein, die in jedem der acht dargestellten Tage durchexerziert werden. Inmitten dieses Alltagsritus ordnet sich das Motiv-Ensemble sehr gekonnt in unterschiedlichen Variationen ein. Jarmusch beweist, dass er bis ins kleinste Detail beweist, wie sehr er die Elemente des Tages immer wieder ein klein wenig variieren, ausschmücken oder auch verdrehen muss, dass sie sich zu einer interessanten Serie fügen.

Beispielsweise trifft Paterson immer wieder auf seine Dichterkollegen. Von seiner eigenen Poesie ist er nicht überzeugt, weswegen er sie alle noch in seinem kleinen, privaten Notizbuch hortet. „Genauso wie es der große Franscesco Petrarca gemacht hat“, erzählt ihm seine Frau, während er die selbe Praxis auch auf seinem Heimweg bei einem kleinen Mädchen antrifft. So eigenartige Zusammenhänge knüpft der Film. Der alte italienische König des Sonetts liefert die Vorlage für das Grundschulgedicht, dessen Wasserfallgedicht wirklich ausgesprochen gelungen ist. Beide müssen schließlich aber als Vergleichsfolie für den introvertierten Paterson herhalten, dessen Leben sich wegen der Geheimhaltung seiner Gedichte wohl nie ändert. Aber vielleicht ist das auch zu viel verlangt. Der Zuschauer kriegt als einziger Einblick in seine Poesie und die ist, wie soll es anders sein, eine Reflexion über seine nächsten Gegenstände: die Liebe zu seiner Frau drückt er anhand einer Streichholzschachtel aus.

Andere Menschen sind da anders. Ein leidenschaftlicher Rapper, den Paterson belauscht, während er in der Wäscherei an seinen Versen arbeitet, rät ihm, dass sein Labor überall dort ist, wo er hingeht. Ob er dann von einem Gassi gehenden Busfahrer gehört wird, ist gar nicht so schlimm, so lange er mit Leidenschaft an der Sache bleiben kann. Und das ist es auch, was die meisten Charaktere verbindet. Ihre Leidenschaft für ihre Tätigkeit ist leidenschaftlicher als ihr Traum an sich, möchte man meinen. Es muss geschrieben, gemalt, gebacken, gesungen werden, auch wenn man sich noch am wirklichen Anfang des Pfades befindet und dieser Pfad mit so unglaublich vielen Hindernissen gespickt ist. Vielleicht ist also grade die Affirmation des ewigen Kreislaufs des Alltags grade die Befreiung von ihm. Einfach machen, egal was kommt – nur in der immer etwas anderen Wiederholung steckt noch das Wunder.

7


Weitere Meinungen

 

  • Schnitt: 8,3/10

8


Die Filme von Jim Jarmusch

  • Permanent Vacation (1980)
  • Stranger Than Paradise (1984)
  • Down by Law (1986)
  • Mystery Train (1989)
  • Night on Earth (1991)
  • Dead Man (1995)
  • Year of the Horse (1997)
  • Ghost Dog (1999)
  • Coffee and Cigarettes (2003)
  • Broken Flowers (2005)
  • The Limits of Control (2009)
  • Only Lovers Left Alive (2013)
  • Paterson (2016)

Ein Kommentar Gib deinen ab

  1. donpozuelo sagt:

    Ein geiler Film. Ich liebe diesen Film schon nach nur einmal Schauen. Jarmusch hat halt wirklich etwas sehr Meditativ-Absurdes, das mich jedes Mal aufs Neue fasziniert.

    Gefällt 2 Personen

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