Hank (Paul Dano) wollte sich eigentlich umbringen, weil er es nicht mehr schafft allein auf einer mickrigen Insel auf sein Schicksal zu warten. Doch plötzlich wird ein kahler Körper an den Strand geschwemmt. Starr, bleich und ziemlich stinkend. Erste Hilfe bringt nichts, also läuft Hank zum zweiten Selbstmordversuch des Tages an. Doch plötzlich fängt die Leiche an ihre Magenluft zu entleeren und furzt so stark, dass ihr Auspuff als Motorantrieb benutzt werden kann, um wieder an das Festland zu kommen.
Das ist die erste Szene von Swiss Army Man. Wer Albernheiten auf diesem Niveau nichts abgewinnen kann, sollte sich für den Kino-Abend lieber etwas anderes aussuchen, denn was skurrilen Humor angeht, lässt sich der Debut-Film von Dan Kwan und Daniel Scheinert absolut nicht bremsen.
Die Story kommt ins Rollen, sobald Manny (Daniel Redcliffe) schrittweise zurück zu den Lebendigen findet. Hank versucht ihm schrittweise wieder beizubringen, was es heißt zu leben und wieso sie nun als Team es schaffen müssen, in die Zivilisation zurückzukehren. Der einzige wirkliche und glücklicherweise auch sehr wirksame Grund, den er ihm auftischen kann, ist seine alte Jugendliebe Sarah (Mary Elizabeth Winstead).
Liebe, das ist doch dieses wohlige Gefühl, das unbedingt in keinem Indie-Film fehlen darf – also auch nicht in diesem! Hank und Manny spielen sich ein, fangen an, nicht nur ihr Leben gemeinsam anzugehen, sondern auch als Freunde zu genießen, und in reinster Feelgood-Film-Manier werden freudige Szenen über freudige Musik geschnitten, wie man es halt so kennt. Swiss Army Man ist irgendwie so Indie, dass man fast in jeder Szene noch einmal daran erinnert wird, dass der Film auf dem Sundance Festival im Januar prämierte und gefeiert wurde
Die schönsten Szenen sind zweifellos die, in der Hank seinem neugeborenen und immer herrlich schief blickenden Freund in schnellen Schnitten die Welt erklärt. Er wird dabei nicht nur zu seinem großen Bruder, sondern zum Meister des Do-it-yourself-Bastelns und Puppenspielens. Nach Pappmännern, Autos und Bussen entsteht sogar ein kleines Festival aus den Naturalien des Waldes – wirklich vollste Arbeit vom Setdesign!
Es ist kein Zufall, dass die Regisseure des so liebenswürdigen Films aus der Zunft des Musikvideos kommen. Die Schnitt-, Farb- und Beleuchtungstechniken kommen den Film absolut zugute. Aber wie so häufig kann man an ambitionierten US-Produktionen immer wenig an der Technik, sondern vielmehr am Tiefgang der Handlung aussetzen. Die Probleme Hanks wirken ziemlich holzschnittartig behandelt und leider schiebt der Film ihn selbst in die Loser-Rolle, die man heutzutage eigentlich nur noch in absoluten Klischee-Streifen antrifft. Natürlich ist er ein Geek und natürlich macht das auch einen Teil des so stark anziehenden Charms des Films aus, doch durch die fehlende Tiefe des Hauptcharakters bleibt die Faszination in den Einzelszenen des Films hängen und geht nicht im großen Ganzen auf.
Swiss Army Man durchzieht deshalb eine eigenartige Ironie. Einerseits ist er von der Story und den Szenen so bunt, frisch und unberechenbar, dass man denkt, jede nächste Szene überbiete die vorige an Skurrilität und absurdem Humor. Andererseits bleibt nach einem herzhaften Lacher nicht viel übrig. Die Einzigartigkeit von Swiss Army Man passiert mal eben durchs Kurzzeitgedächtnis, drängt aber leider nicht in die tieferen Hirnrinden.
Fazit: Swiss Army Man ist das Schweizer Taschenmesser unter den Indie-Filmen, kränkt aber grade deshalb auch unter den üblichen Schwächen. Er ist so durch und durch Indie, dass man sich fragt wann der Song von The Smiths endlich kommt. Unterhaltend und frisch auf jeden Fall, aber definitiv nicht der Must-See, den wir uns erhofft hatten. Der deutsche Kinostart ist für den 13. Oktober angesetzt, wir sahen ihn auf dem FantasyFilmFest.
Cast
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Regie und Drehbuch: Daniel Kwan & Daniel Scheinert
Hauptdarsteller
DARSTELLER | ROLLE |
---|---|
Paul Dano | Hank |
Daniel Redcliffe | Manny |
Mary Elizabeth Winstead | Sarah |
Nebendarsteller
- Antonia Ribero
- Timothy Eulich
- Richard Cross
- Marika Casteel
Weitere Meinungen
- Ainu89 (VERfilmt&ZERlesen)
- Aktion Morgenluft – 8/10
- Andreas Eckenfels (Die Nacht der lebenden Texte)
- Antje Wessels
- Celluloid Buff – 8/10
- Christian Gertz (mehrfilm) – 8/10
- Christian Neffe (Audio\visuell) – 5,5/6
- DasDingAufDerSchwelle (Überblick FFF)- 8/10
- DasDingAufDerSchwelle (Kritik)
- Dennis Lebski (Filmspleen)
- Donpozuelo (Going to the Movies) – 8/10
- Jörg Gottschling (Filmaffe) – 3,5/5
- Liegeradler (Kinogucker)
- Sean Theumer (Inglourious Filmgeeks) – 10/10
- Staffmann – 8/10
- Wulf Bengsch (Medienjournal) – 7,5/10
- Zacksmovie – 8,6/10
- Schnitt: 8,1/10
Die Filme von Dan Kwan
- Swiss Army Man (2016)
Die Filme von Daniel Scheinert
- Swiss Army Man (2016)
Ich hab ihn auch auf dem FFF gesehen und kann dir nur zustimmen. Es ist auf jeden Fall mal ein herrlich ungewöhnlicher Film, der dank seiner beiden tollen Darsteller extrem gut unterhält und auch irgendwie ganz schön traurig ist.
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