Kritik: Das koreanische Zombiespektakel Train to Busan.

Train to Busan – das ist der Zombie-Film, der irgendwie alles besser macht als andere Zombie-Filme. Regisseur Yeon Sang-ho hat zwar vor ihm nur Animes produziert und ist bei den eingefleischten Anime-Gemeinde für originelle Filme wie King of Pigs und The Fake bekannt. Ironischerweise ist er dabei aber nicht so abgedreht wie die üblichen verdächtigen aus dem alternativen Anime-Kino, auch Train To Busan ist ein ziemlich realistischer Film, dessen Rekord-Einspielergebnisse in Korea seine Massentauglichkeit bewiesen haben. Die Kritiker in Cannes waren überwältigt. Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen – ein Zombie-Film, der das größte Schnöselfestival der Welt aufmischt. Meist sind schon Action-Filme dort eine Rarität, weil man sich vom Hollywoodkino abgrenzen will. Das Schöne an Filmen mit den beliebten Leichenwandlern ist aber, dass die Produktionen zu Kreativität praktisch gezwungen sind. Verdächtiger Genrebrei wird oftmals schon lange im Vorhinein durch Kritiker und Fans im Internet zerrissen. Was hat es also auf sich mit dem Schnellzug nach Busan?

Hauptcharakter Seok-Woo (Gong Yoo) ist ein geschiedener Aktiengesellschaftler, der den Großkapitalismus in klischeehafter Manier lebt: Skrupellos, ohne Gefühle der Verantwortung für soziale Gerechtigkeit, bis in die Nächte arbeitsam und ein schlechter Vater. Seine Tochter Su-an (Kim Su-an) hat dabei aber trotzdem das Herz am rechten Fleck und hinterfragt das Benehmen ihres Vaters öfter, als es ihm lieb ist. Sie steigen in einen Zug nach Busan, einer Stadt am anderen Ende des Landes, damit die Kleine ihren Geburtstag bei der geschiedenen Mutter verbringen kann, die den Egoismus des Vaters nicht mehr ausgehalten hat. Über Nacht bricht jedoch ganz schleichend die Zombie-Epidemie aus. Die ersten Anzeichen sind noch ganz normaler Natur. Ein Feuer in einem Hochhaus, eine Menschenmasse im Bahnhof, die sich um ein Geschehnis kreist, dann plötzlich eine blasse Frau, die kurz vor Abfahrt des Zuges noch hinein rennen kann und sich auf einer Toilettenkabine einsperrt.

Die spaßigsten Momente des Films sind nun grade die, in denen man den ersten Zombie noch nicht wirklich gesehen, er aber immer wieder antizipiert wird. In dieser Zeit bekommt man von den anderen Passagieren des Zuges mit, die alle in ziemlich abwechslungsreicher Manier vorgestellt werden. Da sind zwei ältere Schwestern, die Bahnangestellten, ein frisch schwangeres Paar, ein ganzer Wagon eines Highschool Baseballteams, und ein Obdachloser, der die kommende Todeswelle schon vorausahnt. In kurzen Dialogen wird das ziemlich farbenreiche Figurenensemble ziemlich knackig profiliert, während man als Zuschauer nur hofft, dass es grade nicht die sympathischsten der Truppe trifft.

Irgendwann endet das Spiel mit dem Zuschauer aber und endlich kriegt man den ersten Blutsauger zu Gesicht. Und sie sehen wirklich fabelhaft aus. Die Schauspieler werden durch sehr dezente CGI-Technik mit Blässe, Schweiß und Adern durchzogen. Vielleicht ist es als eine Hommage an Michael Jackson gedacht, wie sie nach dem Sterben mit ihren ausgerenkten Knochen akrobatisch wieder aufstehen. Aber Train to Busan schafft es wirklich noch den agilen Typ Zombie nicht lächerlich oder unseriös wirken zu lassen, sondern als wirkliches Raubtier, das nur mit dem niedersten Tötungstrieb ausgestattet ist. Hierbei verzichtet der Film auf billige Schreckmomente, stattdessen sind die Massen an Zombies wirklich als Masse angsteinflößend – sie stürzen aus Fenstern, klammern sich an Zügen und lassen Glastüren zerspringen, weil sie sich in zu großer Zahl auf sie auflehnen.

Das alles macht Train to Busan so herrlich frisch, obwohl man immer wieder auf alte Tropes des Genres stößt. Nach den ersten 45 Minuten hat aber leider die Kreativität ein Ende und so ein paar kitschige Szenen kommen doch noch in den Film. Da verwandelt sich plötzlich eine Figur in eine märchenhaft böse Figur, durch ein gewisses Flashback wird ein wenig zu viel auf die Tränendrüse gedrückt und das Ende ist trotz des schönen Bildes dann doch eine etwas billige Panikmache. Das alles hätte noch schlimmer ausfallen können, letztendlich trüben die paar Szenen dann nur einen ziemlich starken Film.

Auch der Zwist des Films ist typisch aber wesentlich besser bearbeitet als sonst. In einer Zeit, wo eine der dringlichsten Fragen ist, wen man rettet und wen man aussperrt, bezieht der Film ziemlich schroff Stellung – der Einzelne kann sich zu aller letzt doch nur retten, indem er zu den anderen hält. Singulär ist der Film darin, diese Aussage auch auf das alltägliche Verhalten abseits der Apokalypse zu spiegeln.

Train to Busan kommt zusammen mit seiner Vorgeschichte Seoul Station durch den Splendid Film-Verleih im ersten Quartal 2017 nach Deutschland. Wir sahen ihn auf dem FantasyFilmFest in Berlin.

8


Cast

  • Regisseur: Yeon Sang-Ho
  • Drehbuch: Park Joo-suk

Hauptdarsteller

Darsteller Figur
Gong Yoo  Seok-Woo
Kim Su-an

Su-an

Nebendarsteller

  • Ma Dong-seok
  • Choi Woo-shik
  • Ahn Soo-hee

Weitere Meinungen

 

  • Schnitt: 8,5/10

8


Die Filme von Sang-ho Yeon

  • Dwae-ji-ui wang (2011)
  • Saibi (2013)
  • Seoul Station (2016)
  • Train to Busan (2016)

9 Kommentare Gib deinen ab

  1. tarlucy sagt:

    Wow. Richtig gut beschrieben. Ich hab Deine Enttäuschung nach der 45. Minute richtig gespürt. Ich war schon euphorisch – endlich mal wieder ein toller Zombie Film und dann Deine 45. Minute…😣aber ich notiere ihn trotzdem

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    1. kuyaa sagt:

      Ohh naja, das Ding war halt, dass ich nach den ersten 45 min total weggeflashed war. Bis zum Ende ist das dann noch ein bisschen nachgeklungen aber da wär wirklich mehr drin gewesen! trotzdem ein Film an den ich mich immer gern erinnern werde 🙂

      Gefällt 1 Person

  2. donpozuelo sagt:

    Das Prequel „Seoul Station“ kann ich wirklich nicht empfehlen. Den fand ich sehr, sehr langweilig und langatmig und war dementsprechend sehr skeptisch, als ich „Train to Busan“ gucken wollte.

    Aber ich mochte den Film sehr. Tolle Charaktere, schön die Situation „Zombies on a Train“ ausgenutzt und eine gute Mischung aus Horror, Action, Humor und Drama. Mich haben diese etwas kitschigeren Momente auch nicht gestört. Das war auf jeden Fall mal ein sehr guter Zombie-Film.

    Gefällt 1 Person

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