Alles Geld der Welt – Spannende Familienfehde trifft generischen Entführungsthriller
Blickt man zurück auf 2017, so gab es in der Filmwelt ein alles überschattende Thema: Die große #Metoo-Debatte hat hoffentlich ein Umdenken nicht nur in Hollywood bewirkt, gleichzeitig hat es jedoch auch seine Opfer gefordert. Man darf wohl davon ausgehen, dass die Karrieren von Louis C.K., Harvey Weinstein und Kevin Spacey vorbei sind. Letzteren hätte man aber fast noch im neuen Film von Ridley Scott sehen können, hätte dieser Spacey nicht (aus rein ethischen Gründen) durch Christopher Plummer ersetzt. Auf der einen Seite machte sich Entsetzen breit, viele konnten diese Entscheidung jedoch auch verstehen. Ich persönlich verstehe beide Meinungen, möchte aber nur das Endergebnis bewerten. Denn auch mit Plummer ist Alles Geld der Welt ein spannender Entführungs-Thriller, der jedoch an einigen Stellen zu dick aufträgt und so an Glaubwürdigkeit verliert. Was ich damit genau meine, erfahrt Ihr nun in meiner Kritik.
Handlung
Es ist einer der aufsehenerregendsten Fälle der Kriminalgeschichte: 1973 wird der 16-jährige Paul, Enkel des milliardenschweren Öl-Magnaten J. Paul Getty, in Rom entführt. Die Kidnapper verlangen 17 Millionen Dollar Lösegeld, doch der reichste Mann der Welt denkt gar nicht ans Bezahlen. Der alte Griesgram hält das Ganze für eine Inszenierung und fürchtet Nachahmer – schließlich hat er 13 weitere Enkel. Nur Pauls verzweifelte Mutter Gail kämpft weiter um das Leben ihres Sohnes. Unermüdlich versucht sie, den alten Getty umzustimmen und verbündet sich schließlich mit dessen Sicherheitsberater, dem Ex-CIA Mann Fletcher Chase. Den beiden bleibt nur noch wenig Zeit, bis das Ultimatum abläuft… (Presseheft)
Kritik
Betrachtet man den Cast von Alles Geld der Welt ganz objektiv, so war es fairerweise kein großer Verlust, Spacey durch Plummer zu ersetzen. Beide sind hochverdiente Darsteller und ich kann mir kaum vorstellen, dass Spacey die Rolle des geizigen Milliardärs wirklich besser gespielt hätte. Und so ist auch mit dieser Neuverpflichtung die große Stärke des Films eben das Schauspiel. Denn auch neben Plummer finden sich mit Mark Wahlberg und Michelle Williams zwei Darsteller in den Hauptrollen, die schon oft ihre Klasse bewiesen haben und es auch hier wieder schaffen. Besonders Williams, die nicht umsonst bei den Golden Globes nominiert war und sicherlich auch bei den Oscars mitreden wird, zeigt hier einmal mehr ihre Klasse. Doch auch in den Nebenrollen wurde exzellent besetzt, sodass zumindest hier kein Abfall der Glaubwürdigkeit zu beobachten ist.
Dennoch konnte ich mich große Teile des Films nicht dagegen wehren, die Handlung zu hinterfragen. Natürlich basiert der Film nur auf dem berühmten Entführungsfall, er möchte diesen nicht eins zu eins wiedergeben. Diese eingestreuten Ideen mögen den Film über die Laufzeit spannender halten, jedoch hätte man an einigen Stellen etwas tiefer stapeln können. Besonders in den Szenen, die offenkundig nicht stimmen können, wollte man einfach mehr machen, um den Punkt des Films nochmals zu unterstreichen. Das hätte es meiner Meinung nicht gebraucht, gerade weil von Anfang an klar ist, wie absurd und surreal diese Geschichte eigentlich ist.
Umso überraschender ist dann jedoch, dass mich der Film zu keiner Sekunde überraschen konnte. So gelungen die Einstellungen und Dialoge auch sein mögen, das hilft alles nichts, wenn keine Spannung aufkommen möchte. Immer wieder versucht Scott, uns hinters Licht zu führen und uns weiszumachen, dass der junge Getty frei käme. Dabei wird immer direkt ersichtlich, dass es eben nicht das Ende der Geschichte ist, zu plump sind die Aufbauten der Szenerien und der daraus folgenden Konsequenzen. Auch hier ist es sicherlich eine gute Idee oder sogar nötig, etwas hinzuzudichten, nur hätte man dies auch cleverer und für den Zuschauer spannender tun können.
Das ist gerade so schade, weil Alles Geld der Welt im Grunde Geschehnisse beschreibt, die perfekt dafür geeignet sind, verfilmt zu werden. Ich musste nach dem Kinobesuch direkt noch einmal nachlesen, ob das alles wirklich so oder so ähnlich passiert ist. Dabei ist es nicht die Entführung an sich, sondern alles rund um die Gettys, was mich so fasziniert hat. Und genau da liegt dann auch der große Bruch des Films. Fokussiert man sich auf die Entführung an sich, kann man sich auf genretypische und schon fast langweilige Szenen gefasst machen, die man so schon oft genug gesehen hat. Besonders DIE schockierende Sequenz des Films kann Kenner von Quentin Tarantino nur müde lächeln lassen. Dem gegenüberstehend gibt es dann aber auch die Dialoge zwischen den Gettys, die so gekonnt geschrieben und dargestellt sind, dass ich überhaupt nicht mehr ins dreckige Italien zurückwollte. Hier hätte man den Fokus vielleicht noch etwas mehr auf die Familie und ihre Krisen legen sollen.
Abschließend muss natürlich noch über die Inszenierung an sich gesprochen werden, an dieser gibt es nämlich absolut nichts zu meckern. Auch wenn sich Ridley Scott etwas zu oft auf seinen vergangenen Erfolgen ausruht, so sieht man auch hier, dass dieser Mann nun mal etwas von Regiearbeit versteht. Kein Szenenbild, kein Übergang wirkt deplatziert oder unpassend. Dafür gibt es auch nichts, was unbedingt im Gedächtnis bleibt, außer die Einführung von Getty Sr., aber insgesamt gibt es zumindest in diesem Punkt keine Kritik von meiner Seite.
Fazit
Alles Geld der Welt erzählt von wohl einer der verrücktesten Entführungen und die dazugehörigen Umstände nach, verpasst es jedoch, diese auch spannend darzustellen. Während die Schauspieler grandios aufspielen und Ridley Scott mit all seinem Können inszeniert, so ist es kurioserweise die Story, die nicht überzeugen kann. Der Film springt immer vom spannenden Kampf einer Mutter gegen den geizigen Milliardär zur generischen Entführung, die schon fast langweilig ist. Übertriebene eigene Ideen tun dann ihr Übriges, sodass der Film zwar einige tolle Szenen besitzt, im Gesamtergebnis jedoch keine geschlossene Qualität aufweisen kann.
Cast
- Regisseur: Ridley Scott
- Drehbuch: David Scarpa
Hauptdarsteller
Darsteller | Figur |
---|---|
Michelle Williams | Gail Harris |
Christopher Plummer | J. Paul Getty |
Mark Wahlberg | Fletcher Chase |
Charlie Plummer | John Paul Getty III |
Nebendarsteller
- Romain Duris
- Timothy Hutton
- Andrew Buchan
- Marco Leonardi
- Giuseppe Bonifanti
Weitere Meinungen
- Ainu89 (VERfilmt&ZERlesen)
- Antje Wessels (Wessels Filmkritik)
- Belkor (Belkor’s Blog)
- Dennis Lebski (Filmspleen)
- Matthias Holm (Die Nacht der lebenden Texte)
- Peeweeski (Popkulturelle Differenzen)
- Ulrike Schirm (Ulrike tratscht Kino)
- Schnitt: 7,0/10
Die Filme von Ridley Scott
- Die Duellisten (1977)
- Alien (1979)
- Blade Runner (1982)
- Legende (1985)
- Der Mann im Hintergrund (1987)
- Black Rain (1989)
- Thelma & Louise (1991)
- 1492 – Die Eroberung des Paradieses (1992)
- White Squall (1996)
- Die Akte Jane (1997)
- Gladiator (2000)
- Hannibal (2001)
- Black Hawk Down (2001)
- Tricks (2003)
- Königreich der Himmel (2005)
- Alle Kinder dieser Welt (2005)
- Ein gutes Jahr (2006)
- American Gangster (2007)
- Der Mann, der niemals lebte (2008)
- Robin Hood (2010)
- Prometheus (2012)
- The Counselor (2013)
- Exodus (2014)
- Der Marsianer (2015)
- Alien: Covenant (2017)
- Alles Geld der Welt (2017)
Mir hat der Film tatsächlich noch um einiges besser gefallen als Dir, wobei mein Hauptaugenmerk zugegebenermassen auf den Szenen mit Christopher Plummer lag und ich mich die ganze Zeit gefragt habe, wie Ridley Scott das wohl in nur 9 Tagen Drehzeit hinbekommen hat.. Kürzlich habe ich erst ein Interview mit Plummer gehört, in dem er von den Dreharbeiten sprach und wie fasziniert er von Scotts Professionalität war. Ridley Scott vertraut seinen Schauspielern wohl vollends und nimmt nur 2 Takes pro Szene und die zweite landet meist im fertigen Film. Für ihn war das wesentlich einfacher als für, beispielsweise David Fincher zu arbeiten, der ja gerne mal 60 Takes verlangt. 🙂
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Also mir ist ja tatsächlich die Szene am besten im Kopf geblieben, als Wahlberg Plummer ziemlich am Ende des Films in seinem Anwesen droht. Ich weiß gar nicht so recht wieso, aber hier fand ich das Hin und Her zwischen den beiden so elektrisierend und hab mich so darüber gefreut, dass auch Wahlberg endlich mal wieder schauspielern darf und nicht nur herum steht und gut im hautengen T-Shirt ausschaut.
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