Ach, was waren die Oscars doch wieder für eine tolle Show! Es gab Humor, gemeine Tweets, Spitzen gegen Trump und einen besten Film, der es fast nicht geworden wäre. Immerhin wurde der falsche Umschlag abgegeben und fast wäre „La La Land“ und eben nicht Moonlight der beste Film geworden. Doch der Fehler wurde behoben und so konnten sich Regisseur Barry Jenkins und die Produzenten über den Goldjungen freuen. Diese Wahl fand ich aus politischer Sicht treffend und nicht unverdient, aus filmischer Sicht hingegen muss ich sagen, dass es durchaus stärkere Teilnehmer gab. Was mich an Moonlight genau stört und weshalb er dennoch unbedingt sehenswert ist, könnt Ihr nun in meiner Kritik lesen.
Handlung
Little
Der 10-jährige Chiron, der von allen nur spöttisch „Little“ genannt wird, flieht zu Beginn des Films vor anderen Kindern, die ihn verprügeln wollen – bis er von Juan gerettet wird, einem Drogendealer, der gemeinsam mit dess Freundin zu seinem Mentor und Beschützer wird.
Chiron
Im zweiten Kapitel hat Chiron mit der Liebe zu seinem Schulkameraden Kevin zu kämpfen, dem sich stetig verschlechternden Zustand seiner Mutter und einem traumatischen Zwischenfall auf dem Schulhof, der sein Leben nachhaltig verändern wird.
Black
Das dritte Kapitel folgt dem mittlerweile erwachsenen Chiron – jetzt bekannt unter seinem Gangnamen „Black“ – der sich in Atlanta ein neues Leben aufgebaut und sich dabei von seinen Mitmenschen abgeschottet hat. Erst ein Anruf aus der Vergangenheit bringt Bewegung in Blacks Leben. In einer virtuosen Sequenz in einem Diner kommt es zu einem wahrhaft unerwarteten und doch unvergesslichen Wiedersehen mit Kevin. (Presseheft)
Kritik
Ich finde es immer etwas schwierig, mich in eine Filmfigur hineinzudenken, die so offen unterschiedlich ist. Ich bin weder schwul, noch schwarz, noch lebe ich in einem schwierigen Umfeld. Theoretisch dürfte ich also überhaupt nicht verstehen können, mit welchen Problemen die Hauptfigur hier zu kämpfen hat. Moonlight schafft es aber trotzdem, mich dem Ganzen nah zu fühlen und mir zumindest das Gefühl zu geben, dass ich den Schmerz und die Unsicherheit verstehen könnte. Komplett werde ich es nie nachvollziehen können, aber der Film gibt einen guten Einblick, wie es sein könnte. Dies ist ein Kunststück, was ich ihm sehr hoch anrechne, immerhin haben es schon viele Filme versucht, genau dies zu schaffen, bislang habe ich es aber noch nicht so gekonnt gesehen.
Genau deshalb ist es auch ein Thema, was zurecht den Preis als bester Film bekommen hat. Homosexualität ist noch immer ein Tabuthema und in einem schwierigen Umfeld, wie es Moonlight zeigt, potenziert sich das Probleme nur noch weiter. Anstatt nur darauf hinzuweisen, wird der Zuschauer hier aber direkt in das Umfeld geworfen und man erlebt quasi ein ganzes Leben in diesem Umfeld mit. Das ist ein Weg, den ich bewundere und auch honorieren möchte, vor allem, weil es so gut funktioniert. Auf der anderen Seite leidet der Film leider an einigen Problemen, die das Gesamtergebnis etwas schmählern.
Das größte Problem ist dabei wohl die große Zeitspanne, die man hier erzählen möchte. Man trifft die Hauptfigur in drei wichtigen Episoden seines Lebens, hat also nur knapp 30 Minuten, alle Figuren und Beziehungen in diesen Episoden zu definieren. Damit das gelingt, muss man abseits der Hauptfigur leider Abstriche bei der Charakterzeichnung machen, die sich besonders in der zweiten Episode sehr deutlisch abzeichnet. Dort sind die Dialoge zu hölzern und zu sehr darauf bedacht, die Handlung voranzutreiben, sodass die Emotionalität etwas verloren geht. Besonders schade ist das, weil es hier zwei immens wichtige Szenen gibt, ohne die der Film nicht funktionieren würde. Auch die anderen Episoden leiden etwas unter dieser Problematik, aufgrund der geringeren Anzahl an Figuren und stärkeren Darsteller, kann dies aber ausgeglichen werden.
Und da fällt dann auch eines der Stichwörter, die ich unbedingt hervorheben muss: Die Darsteller sind durch die Bank weg alle grandios. Allen voran müssen natürlich Mahershala Ali als Mentor und Drogendealer und Naomi Harris als drogensüchtige Mutter erwähnt werden, die beide auch völlig zurecht für den Oscar nominiert wurden. Ali hat diesen glücklicherweise auch gewonnen, seine Leistung ist grandios und schwer mit anderen vergleichbar. Ebenso müssen aber auch die Darsteller von Chrion (Alex R. Hibbert, Ashton Sanders und Trevante Rhodes) gelobt werden. Besonders Hibbert als junger und Rhodes als erwachsener Chiron sind toll aufeinander abgestimmt und es erscheint schon fast unglaublich, dass es nicht derselbe Darsteller ist.
Ebenso Lob verdient natürlich auch das Skript, was aber auch schon oben durchgeklungen ist. Dafür fand ich die Inszenierung an manchen Stellen doch etwas zu sehr experimentell und nicht zielführend. Besonders zu Beginn des Films überforderten mich die Kameraeinstellungen und Schnitte etwas. Dort habe ich nicht verstanden, was das bewirken sollte. Das ist weder künstlerisch, noch besonders clever, vielmehr war das nur nervig. Zum Glück gibt sich das mit der Zeit und es kommt nicht selten zu sehr anrührenden und gleichzeitig objektiven Einstellungen, die perfekt passen. Dennoch fällt besonders im Vergleich zu den anderen Oscar-Nominierten auf, dass man noch etwas an der Inszenierung hätte schreiben können.
Fazit
Die Produktion und die hohe Aufmerksamkeit für Moonlight ist aufgrund der Thematik in diesen Zeiten extrem wichtig. Dank des tollen Skripts und der Darsteller ist diese Aufmerksamkeit auch vollkommen verdient. Nur leider sorgen kleinere Mängel in den Dialogen und der Inszenierung dafür, dass es kein Meisterwerk geworden ist. Dennoch ist Moonlight auf jeden Fall zu empfehlen. Ein wichtiger Film, der unter die Haut geht!
Cast
- Regisseur: Barry Jenkins
- Drehbuch: Barry Jenkins
Hauptdarsteller
Darsteller | Rolle |
---|---|
Alex R. Hibbert | Little |
Ashton Sanders | Chiron |
Trevante Rhodes | Black |
Naomie Harris | Paula |
Nebendarsteller
- Mahershala Ali
- Janelle Monáe
- Jharrel Jerome
- André Holland
Weitere Meinungen
- Andreas Eckenfels (Die Nacht der lebenden Texte)
- Antje Wessels (Wessels Filmkritik)
- Begüm Kargöz (Filmaffe) – 5/5
- Behind the Screen – 10/10
- Christian Neffe (Audio\visuell) – 5,5/6
- Dennis Lebski (Filmspleen)
- Donpozuelo (Going to the Movies) – 6,5/10
- Gian-Philip Andreas (mehrfilm) – 10/10
- Julian Dax (Kinogucker)
- Matzematiker (Filmfraß) – 4,5/5
- Miss Booleana – 10/10
- Morgen Luft (Cinematographic Tides) – 9/10
- Sean Theumer (Inglourious Filmgeeks) – 8,5/10
- Shalima Moon (Shalimas Filmwelten Kritik) – 6/10
- Singende Lehrerin – 9/10
- Sophia Freiheit (Filmverliebt) – 5/5
- Theodor Frisorger (Daumenkino)
- Thomas (Der Plapperblog) – 9/10
- Schnitt: 8,8/10
Die Filme von Barry Jenkins
- Medicine for Melancholy (2008)
- Moonlight (2016)
Was mich bezüglich des Oscargewinns sehr gefreut hat, war, dass damit auch bewiesen wurde, dass auch Filme mit relativ geringem Budget eine Chance haben.
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Stimmt, das kommt auch noch dazu! Also eigentlich war „Moonlight“ der optimale Gewinner
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Ich denke auch, dass das nicht jedermanns Sache ist. Ich mochte die Kamera sehr, weil sie die Unruhe in Chiron einfing und mit den Schärfeeinstellungen immer nur kleine Ausschnitte zeigte. Wie, wenn man selbst zurückdenkt, wo man z.B. Fahrradfahren oder wie hier, schwimmen gelernt hat. In der Umgebung wurde einem ja fast schon schwindlig, aber auch da fand ich es sehr schön, ein Gefühl dafür zu bekommen, wie man sich umschaut, wie hektisch das manchmal ist und wie extrem gelebt wird.
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